Einer der Klassiker unter den Urlaubsirrtümern. Beim ersten Blick ins Bundesurlaubsgesetz scheint die Sache auch ziemlich klar: In Paragraf 7, Absatz 3 heißt es: »Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden«. Schon der folgende Satz relativiert jedoch: »Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen«. Es gibt also Ausnahmen des Grundsatzes. Etwa die »betrieblichen Gründe«. Übersetzt bedeuten die, dass auf der Arbeit die Hölle los ist und man selbst gerade unter keinen Umständen verzichtbar. Greift eine dieser Ausnahmen, darf Ihnen die Chefin oder der Chef Urlaub verwehren. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass der offene Urlaub spätestens innerhalb der ersten drei Monate des Folgejahres genommen wird. So weit, so plausibel.
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Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Februar 2019 (9 AZR 541/15) liefert jedoch eine weitere Ausnahme des Grundsatzes. »Hier hat das BAG entschieden, dass Urlaub nicht so einfach verfallen kann, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeitenden nicht vorher darüber informiert hat, dass ihr Urlaub zu verfallen droht. Der Hinweis kann per Mail oder als Brief erfolgen und muss konkret und individuell sein. Es muss also klar werden, dass noch Urlaub besteht, der genommen werden kann und der gegebenenfalls zu verfallen droht«, sagt Niedostadek. Zugleich verweist er auf einen aktuellen Fall, wonach das bei verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern nicht gelten soll.
Dass der Urlaub rechtlich brisant ist, unterstreicht auch ein laufendes Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Dort geht es um die Verjährung von Urlaubsansprüchen, wenn Unternehmen einen Hinweis darauf nicht oder nicht vollständig geben. Urlaubsansprüche verjähren nach drei Jahren. Aber wann beginnt die Frist? »Nach Ansicht des Generalanwalts des Europäisches Gerichtshofes erst dann, wenn Beschäftigte in Kenntnis gesetzt wurden. Ohne Hinweis auf den Urlaubsanspruch kein Verfall und womöglich auch keine einfache Verjährung«, so Niedostadek. Hier ist also in Kürze auch auf europäischer Ebene mit einer Entscheidung zu rechnen, die gravierende Auswirkungen haben kann.
Gemäß dem Fall, Sie wechseln innerhalb eines Jahres den Arbeitgeber, bedeutet das nicht, dass Sie den doppelten Urlaubsanspruch haben (auch, wenn das keine schlechte Vorstellung ist). In der Praxis läuft es so, dass Ihr alter Arbeitgeber Ihnen den Resturlaub bescheinigt, den Sie dann zur neuen Arbeitsstelle mitnehmen und dort beantragen können.
Musste der Arbeitgeber in Kurzarbeit gehen, wirkt sich das auch auf den Jahresurlaub aus. Hier hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Aktenzeichen: 9 AZR 225/11), dass der Arbeitgeber bei »Kurzarbeit Null« dazu berechtigt ist, die Urlaubstage von Mitarbeitenden für die Zeit, in der sie nicht arbeiten, zu kürzen.